Astronomische Themenvielfalt bei der 40. Veranstaltung der Bochumer Herbsttagung (BoHeTa)

Die traditionelle Bochumer Herbsttagung BoHeTa fand dieses Jahr bereits zum vierzigsten Mal an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) statt. Daher gab es gleich zu Anfang stehende Ovationen aller Teilnehmer für Peter Riepe, der seit 44 Jahren diese Veranstaltung organisiert und maßgeblich geprägt hat. Zusätzlich wurde von dem ersten Vorsitzenden Sven Melchert der Vereinigung der Sternfreunde (VdS) das selbst entworfene „bunte Verdienstkreuz“ verliehen. Auch der Universitätsdekan Prof. Dr. Hendrik Hildebrandt ließ es sich nicht nehmen ein Grußwort an die Organisatoren der BoHeTa zu richten und darin zu betonen, dass sich die BoHeTa von einer lokalen Ruhrpott-Veranstaltung zu einem deutschlandweiten Event entwickelt hat. Mit der RUB gibt es daher zurecht eine lange Kooperation, die Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar in der letzten Dekade aufrechterhalten hat. Auch er wurde daher mit Peter Riepe zusammen im Vorfeld der Veranstaltung geehrt.

Das Programm selber ließ dieses Jahr kein Schwerpunktthema erkennen und bot daher einen bunten Strauß aus der Themenvielfalt der Astronomie, was bei allen Teilnehmern sehr gut ankam und der Jubiläumsveranstaltung gerecht wurde. Denn so war für jeden Besucher etwas Interessantes dabei. Peter Riepe gab zum Einstieg einen kleinen Rückblick, zeigte das Programm der ersten BoHeTa mit dem ersten Gruppenbild und bedankte sich bei allen Helfern, die er all die Jahre immer zuverlässig an seiner Seite hatte. Denn alleine kann man eine solche Veranstaltung nicht organisieren und am Leben halten. Aufgrund des wieder sehr guten Zuspruchs mit über 160 Teilnehmern wird es daher auch im nächsten Jahr wohl wieder eine BoHeTa geben, die auch in diesem Jahr nur von Spenden getragen wurde.

Den Vortragsreigen eröffnete  Stefan Korth, der von seinem Einstieg in die Kalzium-Sonnenfotografie berichtete. Ein mitgebrachter Antlia CaK-Herschelkeil gab den Ausschlag bei einem Stammtischtreffen. Durch diesen wird die kontrastreichere Fotografie der Chromosphäre ermöglicht. Auch konnte eine stärkere Randverdunkelung als im typischen Weißlicht mit Baader-Sonnenschutzfolie beobachtet werden. Auch Fackelbeobachtungen werden dadurch ermöglicht, ohne gleich zu einer teuren Hα-Ausrüstung greifen zu müssen. Er zeigte einige Bildbeispiele, die er regelmäßig in seiner Mittagspause aufgenommen hatte.

Im Anschluss kam es zu einem Fortsetzungsvortrag von Prof. Dr. Kai-Oliver Detken , der über das First Light der VdS-Sternwarte in Namibia berichtete. Im letzten Jahr wurden die Fachgruppe Remote-Sternwarten und der Projektstatus vorgestellt. Nun konnte die Vollendung des Remote-Sternwarten-Projekts auf der Remote-Sternwarten präsentiert werden, dessen Aufbau im April 2023 durchgeführt wurde. Dazu flogen die zwei Fachgruppenmitglieder Dr. Bernd Christensen und Thomas Appel nach Namibia. Vor Ort halfen Jürgen Obstfelder und Friedhelm Hund mit, so dass ein schlagkräftiges Vierer-Team bereitstand. Nachdem im Mai remote das Feintuning durchgeführt werden konnte, um die letzten Konfigurationseinstellungen testen zu können, stand am 31. Mai das First Light der Power-User auf dem Programm. Denn es sollten im ersten Schritt 12 Fachgruppenmitglieder die Steuerung der Remote-Sternwarte erlernen, um anschließend Beobachtungen mit Interessenten durchführen zu können. Am 13. September war es dann soweit: es wurde die gesamte Fachgruppe zu einem First Light eingeladen. Nun lassen sich in diesem ersten Pilotbetrieb Aufnahmeanträge einstellen, wenn man der Fachgruppe angehört und ein VdS-Mitglied ist.

Der nächste Vortrag handelte von der automatisierten Verfolgung erdnaher Asteroiden, sog. Near-Earth Objects (NEO). Faszinierend daran ist, wie der Referent Bernd Koch betonte, ob ein zeitnaher Erdeinschlag droht und um wie viele Kilometer der Asteroid die Erde verfehlt. Die durchgeführte Astronomie und Photometrie der NEOs sind von Amateuren dabei genauso wichtig, wie von den Profis. Denn 2.349 Potentially Hazardous Asteroids (PHA) sind derzeit registriert, die der Erde gefährlich werden können. Davon sind 1.547 PHA auf einer Risikoliste der ESA gelistet. Asteroiden und Kometen können mit dem Programm NEO Planner von Bernhard Häusler im Vorfeld berechnet werden. Die Astrometrie und Photometrie werden hingegen mit dem Programm Tycho Tracker von Daniel Parrott durchgeführt. Ein spannendes Betätigungsfeld, was vielleicht einmal zu eigenen Entdeckungen von Asteroiden führt.

Eine eigene Sternwarte besitzt auch der nächste Referent Rainer Sparenberg , der sie aufgrund von Überalterung nach 20 Jahren renovieren musste. Eine Schiebedachhütte, was eigentlich die beste Wahl für eine Sternwarte darstellt, kam aus Platzgründen leider nicht mehr in Frage, weshalb die gebrauchte Baader-Kuppel eines verstorbenen Sternfreunds angeschafft wurde. Die eigene Sternwarte wurde kernsaniert und Siebdruckplatten als Basis für die Kuppel gekauft. Die Kuppel ist zur Automation mit dem Astro-Dome-Controller vorbereitet worden, so dass zukünftig der Bildsequenzplaner N.I.N.A. das Dach automatisch nach einer Aufnahmesequenz schließen kann. Nach einem virtuellen Rundgang durch die gesamte Sternwarte wurden erste Aufnahmen mit dem neuen Equipment gezeigt, die die gewohnte tolle Qualität von Sparenberg besaßen

Nach einer ersten Pause begann Prof. Dr.-Ing. Peter C. Slansky von der Hochschule für Fernsehen und Film in München mit dem Thema Meteorhalos. Er zeigte dazu eigene Aufnahmebeispiele von Meteoren mit einem Terminal-Flash, die ein extrem großen Radius und Volumen besaßen. Dieses Phänomen ist relativ unbekannt, obwohl bereits 1958 ein violetter Halo von Prof. Igor Stanislavovich Astapovich festgestellt werden konnte. Meteorhalos kinematisch aufnehmen zu wollen ist, wie eine „Wolke an die Wand zu nageln“, wie der Referent amüsiert feststellte. Meteorhalos sind daher aus Sicht von Slansky kein seltenes Phänomen, aber mit der heutigen Technik immer noch sehr schwer zu beobachten.

Der nächste Vortrag wandelte auf den Spuren von Abell, da von Peter Bresseler neue Planetarische Nebel (PN) im Sternbild Schwan entdeckt wurden. PN-Objekte entstehen durch mittelgroße Sterne, die am Ende ihres Lebens zu einem Roten Riesen werden und danach ihre äußere Hülle abstoßen, so dass am Ende ein Weißer Zwerg übrigbleibt. Von dem verbleibenden heißen Kern geht energiereiche Strahlung aus, die die abgestreifte Hülle aus Gas und Staub zum Leuchten anregt. Bekannt sind momentan 3.600 PN-Objekte. Es wird aber geschätzt, dass ihre Zahl bei 30.000 liegen müsste. Das ESAsky-Portal und CDS der Universität Straßburg ermöglichen die gezielte PN-Suche. In diesen Datenbanken sucht Bresseler nach Hinweisen auf Himmelskörper, die planetarische Nebel sein könnten. Danach richtet er anhand der Koordinaten sein Teleskop auf mögliche Kandidaten aus und hoffe dann darauf, dass sich für planetarische Nebel typische Spektrallinien Hα, [OIII] oder [SII] zeigen. So konnten bereits zwei neue PN-Objekte von Bresseler entdeckt werden, die nun seinen Namen tragen: Br6 und Br7.

Im Anschluss befanden sich die Zuhörer wieder in unserem Sonnensystem. Denn Wolfgang Bischof zeigte, wie er Wolkenstrukturen auf der Venus mit Amateurmitteln nachweisen konnte. Im Coronajahr 2020 begann er seine Venusbeobachtung mit einem 8“ Newton aus den 1980er Jahren. Durch die Verwendung des U-Filter ZWL 350 nm von Baader (UV-Filter) kamen immer mehr Oberflächenstrukturen zum Vorschein. Es ließ sich dabei sogar eine Rotation der Venuswolken nachweisen. Trotz der kleinen Beobachtungsfenster von nur ca. 60 min pro Nacht lassen sich diese Wolkenbewegungen erkennen. Die Rotationszeit der Venusatmosphäre im UV-Band konnte daher auf ca. 3,7 Tage berechnet werden.

Den Abschluss des zweiten Blocks war dann wieder Dr. Carolin Liefke vorbehalten, die die Verleihung des Reiff-Preises für Amateur- und Schularbeit souverän durchführte. Als Preisträger wurden dieses Mal Wiegelsweg in Schwalmstadt für das Kindergarten- und Grundschulalter für gebastelte Sonnensysteme, das Berufsbildungszentrum am Nordostseekanal für verschiedene Astro-Projekte, das Friedrich-Schiller-Gymnasium Weimar für gesammelte Mikrometeorite in der Luft und vhs-Sternwarte Neumünster für ihre Kinder- und Jugendbetreuung ausgezeichnet. Nur Wiegelsweg nahm den Preis persönlich entgegen, während die anderen Preisträger jeweils Videobotschaften der Anreise vorzogen.

Nach der zweiten Pause folgte der Reiff-Vortrag durch Prof. Dr. Uli Klein, der zuerst die Astronomische Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V. (AVV) vorstellte. Danach ging er auf das eigentliche Thema Galaxien-Overlays ein. Ziel ist es dabei, eine multi-spektrale Sicht auf Galaxien zu schaffen, denn Galaxien sind in allen Wellenlängen sichtbar. Overlays auf Farbbilder lassen so Radiokontinuum, Säulendichte des neutralen Sauerstoffs, HI-Geschwindigkeiten, Verteilung des molekularen Gases und CO-Geschwindigkeiten erkennen. Als Beispiel wurde die Black-Eye-Galaxie NGC 4826 (Messier 64) genannt, die sich eine andere Galaxie einverleibt hat, was man aber nur an Kinematik erkennen kann und nicht anhand der Aufnahmen. Das Fazit des Vortrags war daher, dass sich durch die Betrachtung verschiedener Wellenlängen ganz neue Erkenntnisse bei Galaxien gewinnen lassen.

Der zweite Teil des Reiff-Vortrags war dann den Amateuren vorbehalten, die durch Dr. Wolfgang Herrmann vertreten wurden. Dieser stellte den Astropeiler Stockert vor, das größte Radioteleskop, welches von Amateuren derzeit betrieben wird. Mit dem alten Radioteleskop aus dem Baujahr 1956 kann nach wie vor wissenschaftlich gearbeitet werden, da alle Instrumente und die notwendige Software auf dem aktuellen Stand sind. Der Vorteil gegenüber Profigeräten wie dem Radioteleskop Effelsberg ist, dass mit dem Astropeiler wesentlich länger beobachtet werden kann. So lassen sich Fast Radio Burts (FRB), die eine Herausforderung für Radioteleskope darstellen, dauerhaft untersuchen. Ein weiterer Themenschwerpunkt sind Neutronensterne, die ähnlich wie Pulsare, ein extrem starkes Magnetfeld besitzen. Daher kann man mit dem Astropeiler Stockert durchaus Beiträge zu wissenschaftlichen Fragestellungen liefern, wie der Referent feststellte. Abschließend wurde dann noch live für das Auditorium der Astropeiler Stockert angesteuert, was als ein Höhepunkt der Veranstaltung angesehen werden konnte, denn das Auditorium sah wie sich das Teleskop neu ausrichtete.

Im letzten Vortrag berichtete Bernd Gährken über den neuen Spektroheliograf Sol´Ex, der als preisgünstiger 3D-Bausatz von dem französischen Unternehmen Shelyak angeboten wird. Ein Herschel-Keil oder ein Frontfilter muss als Energieschutz zusätzlich eingesetzt werden. Der Sol'Ex basiert damit nicht auf einer klassischen Filtertechnik, sondern nutzt die Möglichkeiten der Spektroskopie. Daraus rekonstruiert später eine Software das gewünschte Sonnenbild. Das Geniale an dieser Vorgehensweise ist, dass sich beliebige Spektrallinien mit dem Sol´Ex einstellen lassen. Abschließend ließ sich festhalten, dass das Sol´Ex eher als lehrreiches Bastelprojekt bezeichnet werden kann, mit dem einige interessante Experimente möglich sind. Eine preiswerte Alternative zu dem traditionellen Sonnenequipment stellt es aber allemal dar.

Text: Dr. Kai-Oliver Detken
Fotos: Torsten Lietz, Dr. Kai-Oliver Detken

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